Attat Hospital in Äthiopien
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Unseretwegen ist Er arm geworden,
da Er doch reich war,
damit wir durch seine Armut reich würden.

(Ad Gentes 3)

Attat im Advent 2012

Adventliche Grüße an Sie alle aus dem sonnigen Äthiopien. Die Regenzeit ist vorbei, in manchen Gebieten werden schon die ersten Felder abgeerntet und bei uns im Krankenhaus ist „Malaria-Saison". Heute morgen wurden fast dreißig Personen entlassen und ebenso viele neu aufgenommen, sodass das Krankenhaus wieder einmal mehr als „randvoll" ist. Jeder weiß, dass wer auch immer kommt, aufgenommen wird. Es findet sich immer irgendein Platz. Wenn alle Notmatratzen verbraucht und alle Zimmerecken belegt sind, werden die Wartebänke aus der Ambulanz zusammen geschoben. Am nächsten Morgen wird großzügig entlassen, um den neuen Schwerkranken ein Bett zu geben. Zu anderen Zeiten im Jahr geht es dann wieder weniger turbulent zu.

Nun könnte man meinen, dass mit dem Neubau der oben beschriebene Engpass behoben sein wird. Dies ist nicht der Fall. Der Anbau wird unseren Service für die ambulanten Patienten verbessern. Es bestehen keine Pläne unseren 65 Betten weitere hinzuzufügen. Ein Faktor für diese Entscheidung ist, dass die Regierung zehn Kilometer von uns entfernt ein großes Krankenhaus plant. Stationäre Engpässe wie zur Zeit die Malaria-Phase gilt es einfach zu durchleben aber im Ambulanzbereich beginnt in Kürze eine neue Ära.

Während dieser Brief entsteht, schallen diverse Geräusche vom Neubau in unser Büro. Eine Schleifmaschine poliert Bodenflächen, die Betallbauer hämmern an der Dachkonstruktion herum und ein Betonmischer ist im Dauereinsatz. Ein Jahr später als versprochen nähert sich der Erweiterungsbau seiner Vollendung. Die Einweihung ist für den 9. Februar 2013 festgelegt, ob fertig oder nicht.

Einige von Ihnen haben vielleicht schon einmal einen Blick auf unsere Website geworfen. Unter dem Stichwort „Baufortschritt" sind dort einige Fotos zu sehen.

Wir bekommen einen großzügig angelegten neuen Wartebereich, der auch als Mehrzweckhalle für Versammlungen und Feste (zum Beispiel die Einweihung) genutzt werden kann. Die Patienten mit chronischem Husten, und deswegen unter Tuberkuloseverdacht, haben einen separaten Wartebreich in der alten Ambulanz. Die Tuberkulosebekämpfung steht ganz oben auf der Liste der Regierung. Wir teilen dieses Engagement. Tuberkulose ist Todesursache Nr. 1 weltweit, noch mehr als Malaria, Krebs und HIV.

Zurück zum Bau: Bei laufendem Krankenhausbetrieb zu bauen, ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung und verlangt viel Geduld, Humor und Verständnis. Neben Lärm und Schmutz ist der passagere Platzmangel die größte Herausforderung. Die absoluten Rekordhalter in Geduld sind die Mitarbeiter im Labor. Sie arbeiten seit über einem Jahr auf einem Drittel ihrer vorher schon nicht sehr großen Fläche. Momentan kommen sogar noch acht MTA-Schüler hinzu, die zum Berufspraktikum hier sind. Aber kein Muckser der Klage ist zu hören, und alle wissen warum. Das zukünftige Labor ist nach den Vorschriften des Gesundheitsministeriums gebaut und ist dreimal so groß wie das alte. Wenn schon, denn schon.

Nach dem Umzug wird es für jeden Arzt ein eigenes Untersuchungszimmer geben und gleich in der Nähe des Eingangs einen großen Notfallraum. Des weiteren bekommen die HNO- und Augenpatienten neue Behandlungsräume. Das Obergeschoss hat Platz für die Verwaltung. Es gibt einen Aufenthaltsraum vielleicht mit Bibliothek, einen Tagungsraum, in dem dreißig Leute um Tische sitzen können, und einen Archivraum für wichtige Unterlagen.

Die Lebensqualität unserer Mitarbeiter wird durch neue, geräumige Umkleideräume mit Toiletten und die Möglichkeit warm (!) zu duschen verbessert. Während der Bauplanung wurde festgestellt, dass unser Gelände einen Höhenunterschied von 1,80 Meter hat. Diese Tatsache hat uns das Geschenk eines riesigen Untergeschosses unter einem Schenkel des L-förmigen Gebäudes gebracht. Dieser Raum wird unser Medikamentenlager werden. Die Räume, die durch den Umzug frei werden, sind auch schon vergeben. Die Patientenanmeldung bekommt mehr Platz. Wir bekommen ein geräumiges „Zahn-Zieh-Zimmer", einen Operationssaal für ambulante Eingriffe. Der Raum, in dem die OP-Geräte sterilisiert werden, hat in Zukunft die doppelte Größe. Kurzum, in vielen Bereichen des Krankenhauses wird Enge durch Weite ersetzt. Das ist eine schöne Perspektive für alle.

Genug über Gebäude und Pläne, wenden wir uns den Menschen zu. Auch in diesem Jahr haben trotz der schlechten Straße viele tausend Menschen ihren Weg zu uns gefunden.

Es finden großangelegte Straßenbauarbeiten in unserer Gegend statt, sodass es durch Umleitungen noch mehr holprige und staubige Streckenabschnitte gibt als sowieso schon.

Durchschnittlich kamen 272 Patienten pro Tag in unsere Ambulanz, 6.500 Patienten wurden in diesem Jahr stationär aufgenommen und 2.000 Kinder kamen im Krankenhaus zur Welt, davon hatten 60 Prozent einen von der Norm abweichenden Geburtsverlauf. Das Wartehaus für Schwangere wird reichlich genutzt und bleibt eine erfolgreiche Alternative in einem Land mit relativ wenig Infrastruktur. Statt mit geburtlichen Komplikationen, wie zum Beispiel Bladen-Scheiden-Fisteln, oder mit einer Totgeburt zu enden, treten fast alle Mütter selbst gesund und mit einem gesunden Neugeborenen ihren Heimweg an. Dieses Programm macht allen Beteiligten große Freude, weil der Erfolg im wahrsten Sinne greifbar ist.

Apropos neue Ära: Seit März 2012 ist unser Krankenhaus eine der Ausbildungsstätten für „Emergency Health Officers". Health Officers haben eine Qualifikation, die zwischen der einer Krankenschwester und der eines Arztes liegt. In einem 3-Jahres-Programm werden sie in Notfallchirurgie und Geburtshilfe ausgebildet und qualifizieren sich somit als „Emergency Health Officer". Für jeweils sechs Monate arbeiten sie in unterschiedlichen Krankenhäusern, und wir sind eines davon. Nach der Ausbildung werden sie in kleinen Krankenhäusern auf dem Lande notfallchirurgisch tätig sein, besonders Kaiserschnitte sollen vorort möglich werden. Man erhofft sich dadurch eine Senkung der Müttersterblichkeit. Gleichzeitig ist dies eine Maßnahme gegen den „brain drain", da die meisten fertig ausgebildeten Ärzte bei nächster Gelegenheit ins Ausland gehen. Zur Zeit lernen acht Personen (sieben Männer, eine Frau) bei uns das Operieren. Zusätzlich sind Hebammenschülerinnen zum Praktikum hier, sodass es in unserem kleinen Krankenhaus von Lernwilligen nur so wimmelt. Es ist schön, Teil dieses Programms zu sein. Ein zusätzlicher Ausbildungsvorteil ist die Einfachheit unserer Klinik. Sie kommt dem zukünftigen Arbeitsplatz der „EHO" sehr nahe.

Die HIV Infektionsrate ist über die letzten Jahre konstant bei zwei Prozent geblieben. Von unseren TB-Patienten sind sieben Prozent auch HIV-infiziert. Erneut war keiner unserer getesteten Blutspender HIV-positiv, ein Zeichen dafür, dass die Menschen ihren HIV-Status kennen. Das ist ermutigend.

Unsere 144 Brunnen versorgen 150.000 Menschen mit reinem Wasser. Dies ist ein entscheidender Beitrag, den Attat für die Gesundheit der Menschen in dieser Gegend leistet. Viele Krankheiten werden durch sicheres Wasser verhindert. Regelmäßige Impfungen und Müttervorsorge sind selbstverständlicher Teil des Lebens in unserer Gegend geworden, eine Frucht von 44 Jahre Gesundheitserziehung.

Als Dank für 44 Jahre Präsenz in Attat erhielt Sr. Inge in der Deutschen Botschaft in Addis Abeba das Bundesverdienstkreuz. Sie hat es mit einer Delegation aus Mitarbeitern und Mitschwestern strahlend in Empfang genommen.

Eine sehr erfreuliche „Nebenbeschäftigung" ist unser Ausbildungsprojekt. Begonnen hat es vor vielen Jahren als Hilfe für die Jugendlichen in unserer Gegend für Schulbesuch und Ausbildung. Des weiteren unterstützen wir die Ausbildung der Kinder unserer Angestellten. Durch Spenden, die gezielt für Mädchenbildung gegeben wurden, wuchs das Programm weiter. Dann wurde die Ausbildung von Hebammen gefördert, mit dem Ziel die Müttersterblichkeit zu senken. In diesem Jahr kam außerdem ein Förderprogramm für Handwerksberufe dazu. Alles in allem ist zu sagen, dass die Scharen der jugendlichen Bewerber auf unserem Gelände zu Schuljahrsbeginn lebendiger Beweis für den Bildungshunger der Jugend sind. Die Tatsache, dass allein aus einem Dorf in dieser Gegend 13 Jugendliche zur Universität gehen, zeigt den sozialen Umbruch.

Dieser Adventsbrief ist ein Zeichen unserer Dankbarkeit. Sie alle bilden das Netz, das uns trägt und uns ermöglicht hier sein zu können. Wir dürfen mit ihrer Unterstützung ein Zeichen der Hoffnung sein. Für viele Menschen, vor allem für die Armen, die sich eine Behandlung im rapide wachsenden Privatsektor nicht leisten können, sind wir verlässliche Anlaufstelle.

Wir wissen uns von Ihrem Gebet, Ihrem Rat, Ihrer Mitarbeit und Ihrer Förderung reich beschenkt und getragen. Erneut und gerne versprechen wir, Sie uns Ihre Anliegen in unserem täglichen Gebet vor Gott zu bringen. Von einigen wissen wir, was sie selbst zu tragen haben, von vielen haben wir dieses Wissen nicht. Trotzdem zu teilen, ist ein Zeichen für Menschlichkeit und Achtung in dieser Welt. Danke dafür im Namen unserer Patienten und Mitarbeitenden.

Eine hoffnungsvolle Advents- und Weihnachtszeit und Zuversicht für den Weg durchs neue Jahr wünschen Ihre missionsärztlichen Schwestern aus Attat im Namen des gesamten „Attat-Teams".

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