Er kam in sein Eigentum
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn annahmen,
gab er Macht Kinder Gottes zu werden.
(
Joh 1, 11ff)
Attat im Advent 2011
Auch in diesem Jahr soll die Advents- und
Weihnachtszeit ein Anlass sein, Ihnen allen erneut ein Danke zu
sagen. Ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende. Das gilt für uns aber
sicher auch für Sie. Die Treue, das Engagement, die Vielfalt und die
Kreativität mit der Menschen auch in diesem Jahr Wege gefunden haben
uns zu unterstützen - ebenso die Hilfe für die Flüchtlinge an der
Grenze zu Somalia, versetzt uns schlichtweg in Staunen.
Wir kommen gerade vom Sonntagsgottesdienst. Dort
begab sich Folgendes. Während der Messfeier fiel mir eine alte,
gebückte Frau in einem schmutzigen, löcherigen Schultertuch auf, die
sich mit Tippelschritten (vermutlich Parkinson) fortbewegte. Wir
müssen ihr Dorf erfragen und durch unser Dorfprogramm Unterstützung
für sie organisieren, ging mir durch den Kopf. Beim Herausgehen sah
ich dann, dass eben diese Frau mit zwei kleinen Münzen in der Hand
zum Opferstock tippelte. Diese Begebenheit hat mich sehr
angesprochen. Es sagt mir etwas über Menschenwürde und menschliche
Freiheit. Manche von Ihnen wird es an die Frau am Opferstock in der
Bibel erinnern. Diese Frau hat die innere Freiheit von sich selbst
abzusehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen. Sie hat damit
Würde bewiesen.
Das Projekt "Attat Hospital" lebt davon, dass es
viele, viele Menschen gibt, die ähnlich handeln wie diese Frau. Ihre
Unterstützung ermöglicht, dass Geldmangel kein Hindernis ist für die
medizinische Behandlung, dass Ausbildung ermöglicht wird, dass armen
Leuten, die Hütte repariert wird. Es können Kinder geimpft und
behandelt werden, Müttervorsorge und Entbindung können erschwinglich
sein, einige Dörfer bekommen sauberes Wasser in der Form eines
Brunnens und Frauen erleben eine gewisse finanzielle Selbständigkeit
durch das Kreditwesen in den Frauengruppen. All dies macht einen
spürbaren Unterschied im Leben der Menschen hier. Dank dafür.
Die Finanzkrise ist in aller Munde und Menschen
spüren die Auswirkungen davon. Unsere Angestellten stöhnen und
klagen, dass ihr Gehalt mit der rasanten Inflation im Land nicht
Schritt halten kann. Da in Äthiopien Kaffee sehr wichtig ist, soll
er als Beispiel dienen. Der Preis für Kaffee, eines der
Haupterzeugnisse Äthiopiens, ist um das Zehnfache gestiegen. Heute
morgen predigte sogar der Pfarrer in der Kirche, dass die Leute eben
lernen müssten statt fünf Täschen Kaffee pro Tag nur zwei zu
trinken. Linsen sind sechsmal so teuer als wie vor zwei Jahren
usw... Gleichzeitig gab es mehrere Berichte im Fernsehen über
Äthiopiens enormes Wirtschaftswachstum von neun Prozent im letzten
Jahr. Äthiopien wirbt um Investoren weltweit. Für uns
Nicht-Finanz-Experten scheint es paradox, dass die Wirtschaft
wächst, aber das Leben der Leute immer schwerer wird.
Auch wenn die Menschen in unserer Gegend keine Dürrekatastrophe
durchzustehen haben, so ist es schwer, die Menschen so belastet zu
sehen. Es ist schade, dass es dadurch noch mehr Verzögerungen gibt
bevor sie ihren Weg ins Krankenhaus finden.
Die angespannte wirtschaftliche Lage ist auch ein Grund weshalb
unser "Nebenprojekt", die Finanzierung einer Ausbildung für begabte
Kinder, vor allem Mädchen, aus bedürftigen Familien, immer größer
wird. Dank eines wachsenden Sponsorenkreises unterstützen wir zur
Zeit über 80 Jugendliche. Ein wichtige Investition in die Zukunft.
Was füllt unsere Tage sonst noch? Neue Qualitätsstandards der
Regierung fürs Krankenhaus und Finanzberichte. Die äthiopische
Regierung verfolgt das Ziel, die bestehenden
Gesundheitsinvestitionen auf ein gutes Qualitätsniveau zu bringen.
Darüber gibt es eine 180 Seiten dicke Vorschrift, die uns die
Schweißperlen auf die Stirn treibt. Zum Glück wird unser Neubau
einige dieser Bedingungen erfüllen. Des weiteren versucht die
Regierung alle ausländischen Hilfsorganisationen, die in Äthiopien
arbeiten, strenger zu kontrollieren. Leider wird nicht weiter
differenziert, so dass selbst für uns als kirchliche Institution
eine Menge Mehrarbeit an Dokumentationen und Berichte anfällt. Da
alles Stöhnen nicht hilft, lachen wir lieber, wenn wieder eine neue
Vorschrift oder Auflage kommt.
Neben der wachsenden Verwaltungsarbeit, unserer chronisch
überfüllten Ambulanz und immer zu wenig Betten auf den Stationen,
hat uns aber noch ein anderes Projekt beschäftigt, unser
Erweiterungsbau für die Ambulanzpatienten. Diejenigen von Ihnen mit
Internetanschluss haben vielleicht schon mal einige Fotos auf
unserer Homepage (www.attat-hospital.de) angeschaut. Es ist
faszinierend zu sehen wie die Gerüstbauer in der Lage sind aus einem
Haufen verschiedener langer Eukalyptushölzer und ein paar Kilo
Nägeln immer wieder neue Gerüstkonstruktionen zu zaubern. Es ist
wirklich eine Kunst.
Wenn dann ein Teil des Baus fertig ist, werden die Stücke wieder
auseinander geschlagen, die Nägel entfernt und platt geklopft. Dann
wird mit dem gleichen Material der nächste Gerüstabschnitt
gefertigt. Faszinierend. Des weiteren ist zu erwähnen, dass es für
das Bauen in Äthiopien viele Tagelöhner und Tagelöhnerinnen braucht,
und alles dauert daher seine Zeit. Gleichzeitig haben aber somit
viele Familien in der Gegend für die Bauzeit ein zusätzliches
Einkommen. Momentan gibt es sogar eine Verknappung an
Arbeitskräften, da gleichzeitig die Regierung eine Hochschule in der
Nähe baut und außerdem ein Straßenprojekt begonnen wurde. Es tut
sich also was in unserer Ecke der Welt. Wir hoffen, den Neubau Mitte
2013 offiziell einweihen zu können.
Es bleibt Ihnen und Ihren Familien unsere Verbundenheit besonders
auch im täglichen Gebet erneut zu versichern. Möge die Feier der
Menschwerdung Gottes uns allen Mut machen und stärken für den Weg
durchs neue Jahr.
Ihre Missionsärztlichen Schwestern aus Attat.
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