»Im Herbst fahre ich wieder hin!«
Helfen durch Mitarbeit
„Da sind mir erst einmal die Tränen runtergekullert“, schildert Rita Ruland das Gefühl von Kulturschock und Heimweh, das sie nach ihrer
Rückkehr in den deutschen Alltag übermannt hat. Die Krankenschwester
nutzte einen Teil ihres Lottogewinns zu einem dreimonatigen
Hilfseinsatz auf der Missionsstation Attat. Sehr schwer getan hat
sie sich zunächst, von ihren Erfahrungen in dem Krankenhaus der
Missionsschwestern zu erzählen. Zu frisch waren noch die tiefen
Eindrücke, zu stark der empfundene Gegensatz, als sie nach der
Rückkehr an ihrem ersten Arbeitstag wieder vor den münsterschen
Bettentürmen stand. „Dort war alles so unkompliziert, alles war viel
kleiner, die Probleme viel größer, aber nichts lief aus der Hand.“
Foto: © MMS Attat
Der ungewöhnliche Auslandseinsatz führte Schwester Rita in eine ganz
andere Welt. Kein Fax, kein Telefon, dafür ganz viel üppige Natur
und darin verteilt immer wieder Ansammlungen kegelförmiger brauner
Gebilde. Das sind die so genannten Tukuls,
grasgedeckte Holzhütten, wo in einem einzigen, teilweise notdürftig
abgeteilten Raum vierköpfige Familien in mehreren Generationen
zusammenleben. Etwas entfernt von den kleinen dörflichen
Ansiedlungen schließlich das Krankenhaus, wo in den drei Bettensälen
nicht selten eine doppelte Zahl von Patienten versorgt wird. Vor der
benachbarten Ambulanz warten Kranke auf Behandlung. Viele sind,
einen großen Teil der Familie im Schlepptau, von weit her gekommen,
haben oft ganze Tagesmärsche hinter sich und verbringen die Nacht im
Freien vor der Ambulanz.
„Von überall her zieht der Duft von Kaffee durch den Abend“,
erinnert sich Schwester Rita an das vertraute Bild zahlreicher
Familien-Grüppchen, die jeweils um ein Holzfeuer sitzen, wo die
Frauen in mitgebrachten Tongefäßen die braunen Bohnen in einen
anregenden Trank verwandelten. Mochten diese Szenen im Freien
manchen Leids der hier bis zum nächsten Morgen ausharrenden Menschen
noch einen Hauch von friedlicher Idylle verbreiten, so stockte der
neuen Mitarbeiterin auf Zeit doch bei der ersten Konfrontation mit
der Situation im stationären Bereich bisweilen der Atem. Sehr an die
Nieren gegangen ist ihr der erbärmliche Zustand vieler Patienten.
Neben Verbrennungsopfern (da häufig an offenen Feuerstellen gekocht
wird und die Kleidung beim Anzünden mit Kerosin leicht Feuer fängt)
werden in dem Krankenhaus in Attat vor allem Patienten mit Malaria,
Tumoren und akuten Bauchproblemen versorgt. Weder im OP noch im
Kreissaal ist sie jemals zuvor tätig gewesen. Neben dem Einblick in
eine unter ganz anderen Voraussetzungen arbeitende Medizin und
Gesundheitsversorgung war es für Schwester Rita vor allem die
Begegnung mit den Menschen, die in ihr tiefe Spuren hinterlassen
hat: Die Herzlichkeit und das gegenseitige Umarmen, wenn man sich
trifft...
Dass dies nicht ihr letzter Besuch in Äthiopien war, steht für die
Ehefrau und Mutter von drei erwachsenen Kindern fest:
"Im Herbst
fahre ich wieder hin..."
Gekürzte Wiedergabe aus Pulsschlag 2/2005
UKM (Universitätsklinik
Münster)
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